Die Stiftung Kinderspitex Schweiz will die Gesellschaft über die Anliegen der Kinder und deren Familien sensibilisieren. Somit kommuniziert, informiert und erklärt die Stiftung aktiv. Geschäftsführer Franz Elmer über die Mission der Joël Kinderspitex, den Fachkräftemangel, das Projekt «Geschwisterkinder» sowie die Spende Freudigkeit der Schweizerinnen und Schweizer.
Die Stiftung Kinderspitex Schweiz unterstützt Familien mit der Pflege von kranken Kindern und solchen mit einer Beeinträchtigung. Wie gross ist die Nachfrage nach professioneller Pflege?
Franz Elmer: Die Nachfrage ist sehr gross und nimmt von Jahr zu Jahr im somatischen und vor allem auch im psychopädiatrischen Bereich stark zu. Die Zunahme mag auf der einen Seite eine gesellschaftliche Entwicklung sein, da man sorgfältiger mit den Kindern umgeht. Sicher aber hat die erhöhte Nachfrage auch mit der Überlastung der Kinderkliniken zu tun, welche die Kinder schneller wieder nach Hause schicken. Als Profis können wir einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Kinder in ihrem gewohnten Umfeld gepflegt werden können und ihre Lebensqualität verbessert wird.
Der Fachkräftemangel in der Pflege spitzt sich deutlich zu. Dies führt unter anderem zu überlastetem Pflegepersonal, gerade auch in Kinderkliniken. Spüren Sie das?
Weil wir als Kinderspitex auf sehr gut qualifiziertes Fachpersonal angewiesen sind spüren natürlich auch wir den Fachkräftemangel stark. Bestens ausgebildetes Pflegefachpersonal ist die Grundlage unserer komplexen Arbeit, um die nötige Pflegequalität und Sicherheit, zum Beispiel in Notfallsituationen, gewährleisten zu können und damit die Leistungen von den Versicherern übernommen werden. Zudem sind wir in einem sehr kleinen Nischenmarkt tätig und oft rekrutieren wir Menschen, die eine sinnstiftende Tätigkeit suchen.
Wie begegnen Sie dem Fachkräftemangel, respektive haben Sie genügend Personal?
Wir haben leider selten genug Personal, um alle Bedürfnisse von den Kindern mit ihren Familien abdecken zu können und sind daher laufend auf der Suche nach neuen Mitarbeitenden. Mit möglichst optimalen Arbeitsbedingungen und einer hohen Mitbestimmung bezüglich der Einsatzplanung wollen wir die Mitarbeitenden langfristig halten und über verschiedenste Kanäle neue Mitarbeitende gewinnen. Am wirksamsten ist immer noch, wenn Mitarbeitende oder auch Familien zufrieden sind und neue Mitarbeitende vermitteln.
Was sind die grossen Herausforderungen bei der Pflege kranker Kinder?
Die Pflege von Kindern ist anders als bei den Erwachsenen, kann aber zum Glück gelernt werden. Für eine gute Pflege ist eine vertrauensvolle Beziehung wichtig. Herausfordernd können sehr komplexe Pflegesituationen sein: Wenn zum Beispiel ein Kind in eine Lebensendphase kommt und spezialisierte Palliative Care nötig ist, dass wir ebenfalls als eine unserer Kernkompetenzen bezeichnen.
Wie werden speziell die Eltern und Angehörigen der kranken Kinder unterstützt, respektive was sind ihre grössten Bedürfnisse?
Für die Eltern ist es eine grosse Hilfe, wenn wir für eine gewisse Zeit die Pflege des Kindes übernehmen und sie Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse haben. Wichtig für sie ist, dass zu dem Kind gut geschaut wird und die nötige Pflege professionell und liebevoll erbracht wird. Da sie oft sehr stark eingebunden sind, können wir bei Bedarf mit Spendengeldern zusätzliche Entlastungsstunden leisten und natürlich stehen wir auch beratend zur Seite.
Sie haben ein Projekt «Geschwisterkinder» lanciert. Was beinhaltet dieses neue Projekt?
Oft müssen die gesunden Geschwister ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche hintenanstellen, damit dem kranken Kind die nötige Aufmerksamkeit und Pflege ermöglicht werden kann. Durch das Projekt «Geschwisterkinder» werden gezielt Freizeitaktivitäten angeboten, wo die gesunden Kinder ganz sie selbst sein können und so auch etwas erleben dürfen. Manchmal geht es auch darum, den gesunden Kindern Zeit mit ihren Eltern zu schenken, indem wir uns um das kranke Kind kümmern.
Wie sieht die Finanzierung der aufwändigen Pflege aus. Welches Finanzierungsmodell gibt es da?
Grundsätzlich werden die Pflegeleistungen durch die Versicherer (Krankenkasse und/oder Invalidenversicherung) übernommen, sind aber mit den aktuellen Tarifen nicht kostendeckend abrechenbar. Das heisst, dass wir auf die Restkostenfinanzierung durch die Gemeinden oder Kantone angewiesen sind und die nicht gedeckten Kosten über Spenden finanzieren müssen. Zudem werden Betreuungsleistungen, welche nötig sind, um überhaupt pflegen zu können, leider nicht finanziert. Ein Kind muss, verglichen mit Erwachsenen, sich stärker auf die Situation einstellen können, bevor die geplanten Pflegeleistungen durchgeführt werden können. Daher sind wir als Kinderspitex in einem beträchtlichen Mass auf private Unterstützung angewiesen.
Wer sind Ihre Spenderinnen und Sponsoren?
Wir haben zum Glück viele private Spenderinnen und Spender, welche uns unterstützen. Wichtig sind für uns auch Förderstiftungen und Partnerorganisationen, die gezielt Projekte unterstützen. Wir freuen uns auch sehr, wenn jemand an seinem Geburtstag oder Jubiläumsfest für uns sammelt oder bei einer Beerdigung statt Blumenschmuck die Kinderspitex unterstützt.
Ungedeckte Kosten werden durch Spenden finanziert. Wie spendenfreudig sind die Menschen momentan?
Mit dem Krieg in der Ukraine, der drohenden Strommangellage und der allgemein unsicheren wirtschaftlichen Situation sind die Menschen etwas zurückhaltender geworden. Viele Menschen spenden aber trotzdem und helfen so die Familien zu unterstützen, was natürlich sehr wertvoll ist.
Welche Bedeutung kommt der Arbeit der Joël Kinderspitex in der Gesellschaft zu?
Der Bedarf nach Unterstützung in der Pflege von Kindern mit speziellen Herausforderungen ist gross. Wir sind der Überzeugung, dass die Integration und Förderung von Kindern mit einer Krankheit oder Behinderung für eine Gesellschaft ein sehr wichtiges Ziel sind. Kinder sind unsere Zukunft! Wir, die Stiftung Joël Kinderspitex, helfen schnell und unbürokratisch – und das mit Kompetenz, Qualität und Herz.
Wie sensibilisieren Sie die Leute für das Anliegen der Joël Kinderspitex?
Es ist unser erklärtes Ziel, die Gesellschaft über die Anliegen der Kinder und deren Familien zu sensibilisieren. Somit kommunizieren, informieren und erklären wir aktiv. Für uns ist wichtig, die Mission der Joël Kinderspitex bekannt zu machen. So sind wir auf diversen Social-Media-Systemen und in herkömmlichen Medien präsent. Zudem stellen wir unsere wichtige Arbeit gerne mittels Vorträgen, zum Beispiel in Schulen, an Vereinsabenden, Firmenlunches oder an Messen, vor.
Sie sind bestens vernetzt. Wie sieht Ihr Netzwerk aus und was ist bei der Pflege Ihres Netzwerkes wichtig?
Als Kinderspitex ist für uns die Vernetzung mit den Kliniken und Kinderärzten aber auch mit allen anderen Menschen und Institutionen wichtig, wie zum Beispiel der Frühförderung, sozialen Diensten und weiteren therapeutischen Leistungserbringern.
Was wünschen Sie sich für die Stiftung Joël Kinderspitex für die Zukunft?
Wir wünschen uns, dass alle Kinder, die Pflege bedürfen, diese auch bekommen, und dass die Leistungen zur notwendigen Entlastung der Familien genügend finanziert werden können. Und natürlich wünschen wir uns viele zufriedene Kinder – ein Lächeln bedeutet mehr als tausend Worte!
Interview: Corinne Remund
Regionalbüro Aargau
Gönhardweg 6
5000 Aarau
Tel. +41 62 552 22 98
www.joel-kinderspitex.ch
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