Rettung von Neugeborenen als Mission

    Aargauer Jungunternehmen NeoRescue GmbH will Serienproduktion der «Lifebox» bald starten

    Das Hightech Zentrum Aargau hat die NeoRescue bei der Entwicklung einer «Lifebox» zur Rettung von Säuglingen in Notfällen unterstützt. Feuerwehren und Spitäler, auch im Ausland, sind an der innovativen Box aus dem Aargau interessiert.

    (Bild: NeoRescue) Geplant sind drei Modelle der «Lifebox», darunter die Variante Doppelbox. Die Box ist feuer- und schlagfest und mit einer Atemluftversorgung ausgestattet.

    Am Anfang dieser Erfindungsgeschichte steht ein Brand, der glücklicherweise glimpflich verläuft. Sommer 2015, in der Küche der Frühgeborenenabteilung (Neonatologie) des Kantonsspitals Aarau (KSA) bricht ein Brand aus. Die Betriebsfeuerwehr hat die Situation schnell im Griff. Niemand kommt zu Schaden, insbesondere keiner der jüngsten Patienten. In den Einsatzbesprechungen verfestigt sich bei den Feuerwehrleuten eine Überzeugung: Es wäre nötig, die Einsatzdoktrin und die vorhandenen Rettungsmittel im Rahmen einer grösseren Feuerwehrübung zu überprüfen. Insbesondere die Evakuation von Säuglingen unter erschwerten Bedingungen sollte trainiert werden.

    Lösung für Kleinkinder fehlt
    Im Einsatzfall verfügen Feuerwehrleute über eine Ausrüstung, welche die Versorgung mit Atemluft sicherstellt. Gefährdete Drittpersonen wie zum Beispiel Pflegerinnen und Pfleger würden mit sogenannten Fluchthauben ausgestattet. Bei Kleinkindern unter 15 Monaten werden solche Hauben jedoch nicht verwendet. Aus diesem Grund wurde im KSA und bei anderen Spitälern nach speziellem Material für die Babyrettung gesucht, allerdings ohne Erfolg. Eine Gruppe von Angehörigen der KSA-Betriebsfeuerwehr begann daher in der Freizeit, einen ersten Prototypen zu entwickeln. Dieser sei auch in anderen Spitälern grundsätzlich auf Interesse gestossen, erinnert sich David Selinger, damals Vizekommandant der KSA-Betriebsfeuerwehr und selber Vater von vier Kindern.

    Unterstützung für Erfinder
    Das Team wurde spitalintern darin bestärkt, eine eigene Lösung zu entwickeln. Support bot insbesondere Professor Hans-Florian Zeilhofer, damals als Chirurg mit einem Teilpensum am KSA. Daneben engagierte er sich als Delegierter für Innovation der Universität Basel und auch als Unternehmer. Zeilhofer vermittelte Kontakte nach Brugg, einerseits zur Erdmann Design AG mit Designerfahrung in der Medizintechnik, andererseits zum Hightech Zentrum Aargau (HTZ). Im Herbst 2018 wurde die NeoRescue GmbH gegründet. Selinger ging das Wagnis ein: er kündigte seinen sicheren Führungsjob im KSA und übernahm die Funktion des CEO der NeoRescue.

    Mit Unterstützung des HTZ konnte eine Machbarkeitsstudie realisiert werden. Als Forschungspartner wirkte das Hightech-Forschungs-Zentrum der Universität Basel mit. Dessen Experten brachten Know-how zur Entwicklung eines Belüftungssystems für die Box ein. Positiv äussert sich auch Robert Rhiner, der Vorsitzende der Geschäftsleitung des Kantonsspitals Aarau: «Das KSA ist bestrebt, engagierte Mitarbeitende fachlich und persönlich zu fördern. NeoRescue ist medizinisch wie auch emotional ein interessantes Projekt, weshalb es vom KSA unterstützt wurde. Die Lifebox ermöglicht eine sichere und unter medizinischen Aspekten professionelle Evakuierung von Säuglingen.»

    Leendert den Haan, Innovations- und Technologieexperte des HTZ, übernahm zusätzlich die Funktion eines Coaches. Er beriet NeoRescue in Fragen rund um Produktzulassung, Marketing oder Vertrieb.

    Covid-19 als Verkaufsbremse
    Der Stand im Frühsommer 2020: Nach aufwändigen Korrekturen und Optimierungen existieren die Werkzeuge sowohl für die Produktion der Schale als auch für das «Inlay» der Box. Wegen der Corona-Pandemie wurde die Anlieferung der benötigten Bänder um Wochen verzögert. Ein anderer Bremseffekt von Covid-19 ist noch gravierender: Gleich vier bedeutende Produktmessen, an denen sich NeoRescue hätte zeigen wollen, fielen ins Wasser. Auch mussten Präsentationen in Kliniken auf Eis gelegt werden.

    Aber das Team lässt sich nicht verdriessen. Es bleibt auch mit den Interessenten aus Frankreich und Nordamerika in Kontakt. Homepage und Infomaterial stehen bald auch mehrsprachig zur Verfügung. «Die Corona-Pandemie», meint HTZ-Experte den Haan, «ist ein gutes Beispiel dafür, dass selbst Risiken mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit eines Tages harte Realität werden können.» Dieses Argument dürfte NeoRescue bei der Vermarktung der «Lifebox» künftig noch stärker einsetzen.

    Ruedi Mäder


    Support durch das HTZ

    Im Herbst 2018 wurde die NeoRescue GmbH in Unterentfelden gegründet. Sie wurde vom Hightech Zentrum Aargau in mehrfacher Hinsicht beraten: Im Verlauf einer Machbarkeitsstudie wurde eine Rettungsbox («Lifebox») für Neugeborene und Kleinkinder entwickelt. Danach begleitete HTZ-Technologie- und Innovationsexperte Leendert den Haan das Start-up als Sparringpartner und Coach. Erfunden wurde die «Lifebox» von fünf Mitarbeitenden des Kantonsspitals Aarau.

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