Der Zukunftsraum Aarau als Chance für den Aargau


    Kolumne


    Hanspeter Hilfiker, Aarauer Stadtpräsident

    Das Projekt Zukunftsraum Aarau befindet sich in einer entscheidenden Phase. In diesen Wochen entscheiden die entsprechenden Gremien in Aarau, Ober- und Unterentfelden, Densbüren und Suhr darüber, ob für diese Gemeinden ein Fusionsvertrag ausgearbeitet werden soll.

    Die Fusion der fünf Gemeinden zu einer neuen Aargauer Hauptstadt bietet verschiedene Vorteile: Für die kleineren Gemeinden etwa tiefere Steuern, die Partizipation an Entscheiden über die regionalen Anlagen oder eine professionellere Verwaltung; für Aarau können die regionalen Anlagen, heute die Alte Reithalle oder die neue Kettenbrücke, morgen das neue Stadion oder die Sanierungen der Sporthalle und des Hallenbades, deutlich breiter getragen werden; für alle werden die Entscheidungswege kürzer und die Verwaltungsstandorte klarer.

    Neben diesen Vorteilen zeigt das Projekt Zukunftsraum, dass der Kanton Aargau auf Gemeinden dieser Grössenordnung kaum vorbereitet ist. Schon beim Abstimmungsprozedere zur Fusion wurden im Verlauf der letzten Jahre Anpassungen vorgenommen. Ursprünglich waren mehrere Abstimmungen vorgesehen; Aarau-Densbüren, Aarau-Entfelden, Aarau-Suhr hätten jeweils einzeln über die Fusionen abstimmen müssen. Dann wurde erkannt, dass dieses System zu aufwendig ist. Heute ist eine einzige Abstimmung in allen Gemeinden gleichzeitig möglich, am Schluss fusionieren jene Gemeinden, die dazu ja sagen. Einzige Bedingung bleibt, dass Aarau der Fusion zustimmt.

    Ein weiteres Beispiel, dass der Kanton «fusionsfreundlicher» wird, ist die Namensgebung. Noch bei der Fusion mit Rohr 2010 wurde zwar die Postleitzahl belassen, der Name aber in «Aarau Rohr» umbenannt. Ein schwerfälliges Konstrukt. Heute ist es möglich, die Gemeindenamen stehen zu lassen, mit ihren Postleitzahlen, ergänzt um eine Klammer (Stadt Aarau). Damit braucht es beispielsweise keine Umbenennungen von Strassen.

    Ein letztes Beispiel zur «institutionalisierten Kleinräumigkeit» des Aargaus: Für ein Referendum benötigt man auf Gemeindeebene zehn Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung, auf Kantonsebene 3000 Unterschriften. Würde die Fusion im Zukunftsraum zustande kommen, wären für ein Referendum in Aarau über 3000 Unterschriften notwendig, mehr als im Kanton. Kaum sinnvoll. Entsprechend hat der Kanton die Motion von Lukas Pfisterer entgegengenommen und wird wohl 2021 eine Änderung des Gemeindegesetzes vorschlagen, welche den Gemeinden die Möglichkeit gibt, selbst eine relative oder absolute Referendumsgrenze festzulegen. Im neuen Aarau wäre diese Grenze wohl bei etwa 1500 Unterschriften.

    All diese Beispiele zeigen, dass der Kanton Aargau traditionell kleinräumig denkt. Gerade der Mangel an weiteren Perspektiven ist meines Erachten ein Hauptgrund dafür, dass der Kanton Aargau in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz an Bedeutung eingebüsst hat. Der Aargau hat es kaum geschafft, nationale Bedeutung zu erlangen. Ursprünglich war das im Bildungs-, im Industrie- oder im Energiebereich durchaus der Fall.

    Bedeutung erhalten Funktionen grundsätzlich über die Konzentration von Kompetenzen und Mitteln. Der Aargau ist einen anderen Weg gegangen, in der Kultur, in der Bildung, in der Gesundheit. Fazit ist, dass wir überall näher am Mittelmass als an der Spitze liegen. Einige Ausnahmen gibt es: Das Kunsthaus in Aarau ist eine national wichtige Institution, auch das Kantonsspital Aarau oder das PSI strahlen national aus. In anderen Bereichen sieht es trister aus: Bei den Hochschulen etwa: Als grösster Kanton der Fachhochschulregion Nordwestschweiz verfügen wir mit Windisch über den kleinsten Standort. Und trotzdem, der Kanton plant weiter munter dezentral: Bei den Berufs- und Kantonsschulen, in der Kultur, in der Wirtschaftsförderung.

    Es ist an der Zeit, dass sich auch der Kanton Aargau zu seinen Zentren und zur Relevanz einer gewissen Grösse bekennt. Ein neue Hauptstadt Aarau wäre mit weitem Abstand die grösste Aargauer Stadt. Auch für den Kanton bietet dies neue Chancen. Über die Förderung weiterer Gemeindefusionen im Kanton oder über die Überprüfung von bereits geplanten Dezentralisierungen, etwa im Kantonsschulbereich, in der Kultur oder bei der Wirtschaftsförderung.

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